Finanzwissenschaft

Finanzwissenschaft
1. Begriff/Entwicklung: Teildisziplin der Volkswirtschaftslehre; Analyse des wirtschaftlichen Handelns des Staates.
- Ursprünglich war die F. eine Lehre der ordentlichen Führung öffentlicher Haushalte. V.a. in Deutschland war diese kameralistische Ausprägung stark vertreten ( Kameralistik). Obwohl Ricardo, Wicksell, Edgeworth und Pigou theoretische Arbeiten über die Besteuerung und die öffentlichen Ausgaben leisteten, beschränkte sich die F. bis ca. 1930 auf historische und institutionelle Fragen und praktische Probleme der Finanzgesetzgebung und -verwaltung. Die Rückwirkungen der Budgetpolitik ( Finanzpolitik) auf die Funktionsweise der Gesamtwirtschaft blieben weitgehend unberücksichtigt. Erst die im Anschluss an  Keynes entwickelten Konzeptionen der Fiscal Policy und der makroökonomischen Theorie veranlassten Forschungen auf diesem Gebiet.
- 2. Methoden: Die moderne F. bedient sich aller Methoden, über die die Wirtschaftstheorie heute verfügt, um die Wirkungen der staatlichen Einnahmen- und Ausgabenpolitik zu analysieren, v.a. der Instrumente der  Wohlfahrtsökonomik, der  Preistheorie, der  Konjunkturtheorie, der  Beschäftigungstheorie und der  Wachstumstheorie.
- 3. Hauptbereiche (auch andere Einteilungen sind möglich): a) Ökonomische Theorie der öffentlichen Haushalte (positive Theorie der F.): Sie liefert systematische Aussagen über Funktionsweise des öffentlichen Sektors, Zielsetzungen der Budgetpolitik, institutionelle und funktionelle Regelungen (Finanzausgleich, Haushaltsaufstellung, Einnahmen- und Ausgabenpolitik). Der historische Untersuchungsgegenstand der F. findet hier noch am ehesten Beachtung.
- b) Probleme der Budgetbestimmung (normative Theorie der F.): Die F. geht von einem durch die gesellschaftliche Struktur und die politischen Entscheidungsinstanzen gesetzten Zielsystem aus und untersucht, wie das optimale  Budget gestaltet sein soll. Das Zentralproblem ist, wie eine optimale Aufteilung der Produktivkräfte und eine gerechte  Einkommensverteilung erreicht werden kann, d.h. welche spezifischen öffentlichen Bedürfnisse befriedigt werden sollen und wer dafür zu zahlen hat. Die Theorie der öffentlichen Verschuldung ( öffentliche Kreditaufnahme) ist damit ebenfalls in diesem Komplex enthalten.
- c) Wirkungen der Budgetpolitik: Die  Inzidenz der budgetpolitischen Maßnahmen auf mikroökonomischer Basis (Reaktion der Unternehmer und Haushalte auf Veränderungen von Steuern und Staatsausgaben) und deren Einkommensverteilungswirkungen (mikro- und makroökonomische Steuerüberwälzung) steht hier im Mittelpunkt der Untersuchungen ( Budgetinzidenz). Darunter fallen auch konjunktur- oder wachstumspolitisch motivierte Analysen der Staatstätigkeit.
- Vgl. auch  Finanzpolitik,  Finanztheorie.

Lexikon der Economics. 2013.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Finanzwissenschaft — Finanzwissenschaft, s. Finanzwesen, S. 572 …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Finanzwissenschaft — Die Finanzwissenschaft ist neben der Wirtschaftstheorie und der Wirtschaftspolitik eine dritte klassische Disziplin innerhalb der Volkswirtschaftslehre und hat die wirtschaftlichen Aspekte der öffentlichen Haushalte und somit die Besteuerung von… …   Deutsch Wikipedia

  • Finanzwissenschaft — Fi|nạnz|wis|sen|schaft 〈f. 20; unz.〉 Lehre von der Finanzwirtschaft der öffentl. Körperschaften * * * Fi|nạnz|wis|sen|schaft, die: Gebiet der Wirtschaftswissenschaften, das die öffentliche Finanzwirtschaft zum Gegenstand hat. * * *… …   Universal-Lexikon

  • Finanzwissenschaft — Fi|nạnz|wis|sen|schaft 〈f.; Gen.: ; Pl.: unz.〉 Lehre von der Finanzwirtschaft der öffentlichen Körperschaften …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Finanzwissenschaft — Fi|nanz|wis|sen|schaft die; : Gebiet der Wirtschaftswissenschaften, das sich mit der Wirtschaft der öffentlichen Körperschaften u. deren Beziehungen zu anderen Bereichen der Volkswirtschaft beschäftigt …   Das große Fremdwörterbuch

  • Zahlungsbereitschaft (Finanzwissenschaft) — In der Finanzwissenschaft nennt Zahlungsbereitschaft den Betrag, den ein Individuum (ein Haushalt) aus seinem vorhandenen Einkommen für das Bereitstellen öffentlicher Güter zu zahlen bereit wäre. Die Finanzwissenschaft stellt zu dessen Ermittlung …   Deutsch Wikipedia

  • Kongruenzprinzip (Finanzwissenschaft) — Das Kongruenzprinzip ist ein Begriff aus der Finanzwissenschaft und orientiert sich am Vorbild idealtypischer Beschaffungsgenossenschaften. Es besagt, dass bestimmte Personenkreise zur Deckung gebracht werden sollen und umfasst drei… …   Deutsch Wikipedia

  • Nutzenansatz (Finanzwissenschaft) — In der Finanzwissenschaft bezeichnet der Nutzenansatz als Gegenbegriff zum Preisansatz ein Verfahren der Wertermittlung einer öffentlichen Leistung anhand des Nettonutzens.[1] Siehe auch Nutzenfunktion Anmerkungen ↑ Dieter Cansier, Stefan Bayer:… …   Deutsch Wikipedia

  • ökonomische Theorie der öffentlichen Haushalte — ⇡ Finanzwissenschaft …   Lexikon der Economics

  • Fin.-Wiss. — Finanzwissenschaft EN public finances …   Abkürzungen und Akronyme in der deutschsprachigen Presse Gebrauchtwagen

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”